|

The Italian Style

Ein Sommer-Rückblick. Oder Vorschau. Vorsicht Humor, kann Spuren von Klischees enthalten

Italienurlaub 2024. Wir sind an der Adriaküste. „Man spricht deutsch“? Weit gefehlt. Dennoch sollte man sich den Streifen aus dem Jahre 1988 mal zur Vorbereitung auf die Italienreise anschauen. Die Komödie ist von und mit Gerhard Polt:

„Das bayerische Ehepaar Löffler verbringt mit Sohn Heinz-Rüdiger den letzten Tag des wohlverdienten Badeurlaubs am Strand von Valcina Mare südlich von Rom, während das Auto schon gepackt für die Heimreise bereit steht. Abgesehen von der Hitze ist am Urlaubsort eigentlich fast alles wie daheim: man trinkt deutsches Bier, gönnt sich deutsches Essen, liest die `Bild-Zeitung‘, hört Bayern 3 und trifft viele typische und skurrile Landsleute. Wären da bloß nicht diese Italiener, die die Idylle stören.“

Doch der Teutonengrill ist ausgebrannt, zumindest entlang der Adriaküste rund um San Benedetto del Tronto, Martinsicuro, Villa Rosa, Alba Adriatica und Giulianova. Diese klassischen Badeorte der schönen Ferienregion Italiens sind wieder fest in italienischer Hand. Parla Italiano! Hier herrscht der Italian Style.

Der frühe Vogel fängt den Wurm – Italiani sono mattinieri

Morgens ab 6:30 ist die Strandpromenade voll an der italienischen Adria. Voll mit Läufern, Radfahrern, vielleicht ist noch der ein oder andere Inline Skater zu sehen. Auch auf klassischen Rollschuhen wackeln zwei Raggazza an uns vorbei. Sie halten sich aneinander fest und kichern. Ob sie sich gegenseitig halten oder beim Fahren eher behindern, sei mal dahingestellt.

Einer der schönsten Radwege führt 20km die Adriaküste entlang, von Martinsicuro bis Giulianova. Es ist keine anspruchsvolle Strecke, im Gegenteil. Sie verläuft eigentlich durchgehend eben und ist viel zu dicht befahren, um hier wirklich schnell unterwegs zu sein und Rennrad zu fahren. Dennoch, das perfekte Outfit muss schon sein auf dem bici da corsa, welches man offensichtlich wunderbar telefonierend über den Radweg befördern kann. Die Action früh am Morgen reist mit. Dieses Italien ist nichts für Langschläfer, die womöglich die schönste Zeit des Tages verpassen. Es gibt ihn also zumindest in Italien, den „magic Morning“.

Nach dem Sport geht es zum Frühstücken – Colazione.

Caffé e Cornetto. Cappuccino kann man sorglos bis 11Uhr, maximal 12Uhr bestellen. Danach sollte man sich zumindest bewusst sein, dass man gegen die italienische Kaffeetradition verstößt. Die Kaffeekultur ist eng mit Italien verbunden, Trink- und Genussgewohnheiten werden von Generation zu Generation weitergegeben. Dabei schätzen Italiener vor allem die Balance zwischen Genuss und Gesundheit. Es wird angenommen, dass das Koffein im Espresso die Verdauung unterstützt und dem Körper hilft, sich nach einer Mahlzeit schneller zu erholen. Ein Cappuccino hingegen könnte diesen Prozess negativ beeinträchtigen, da Milchprodukte die Verdauungsprozesse eher verlangsamen. Capisci? Kaffee ist in Italien einfach mehr als nur ein heißes Getränk, er ist Teil des Lebensstils. Italian Style, eben.

Via alla spiaggia – Nach dem Frühstück ab zum Strand

Die Lidos der Adriaküste füllen sich. In Italien haben die Kids 13 Wochen Sommerferien, von Anfang/Mitte Juni bis Anfang/Mitte September. Daher verbringen sie die Sommermonate meist mit der gesamten Familie, Oma, Opa, Mama, Papa am Meer. Das klingt doch schon nach Dolce Vita. Mit einem „Lido“ meint man in Italien in der Regel einen bewirtschafteten Strandabschnitt, wo man Sonnenliegen und -schirme mieten kann. Die verschiedenene Lidi liegen nebeneinander und sind durch die Farben der Sonnenschirme und Sonnenliegen unterscheidbar. Zu jedem Lido gehört ein kleines Holzhäuschen, in dem man beim zuständigen „Bagnino“ Liegen und Schirme anmieten kann. Die Preise variieren je nach Lage. Am teuersten ist natürlich die „prima fila“, doch „In der ersten Reihe sieht man Meer“ (übrigens auch eine tolle Hörbuchempfehlung!).

Die meisten Lidos haben mindestens eine Bar angeschlossen, ein einfache Strandlokale, die Drinks, Paninis, Piadinas oder auch Pizza anbieten. Attentione! Einige Lidos / Chalets führen richtige Strandlokale mit umfangreichen Speiseangebot, Primi, Secondi und Co. Hier sollte man sich also keinesfalls in Flipflops und umgebundenen Handtuch an den liebevoll gedeckten Tisch setzen. Flipflops außerhalb des Strandbereichs sind eigentlich sowieso das sicherste Zeichen, nicht-italienische Touristen zu entlarven. Eine Bella Figura macht man in den Strandtretern zu Asphalt in der Einkaufsstraße ja wohl kaum.

Über Mittag liegen wir meist alleine am Strand. Unsere italienischen Nachbarn gehen zum Mittagessen:

Pranzo.

Wir verabschieden das ältere Päarchen neben uns: „Buona Gionarnata e a dopo“. Sie hat schon alles ordentlich zusammengepackt, denn sie verlassen den Strand während der heissen Mittagssonne. Natürlich gehen sie nochmal kurz aufs Zimmer, um sich frisch zu machen und angemessen für den Pranzo zu kleiden. Unsere Nachbarn genießen diesen auch im klimatisierten Speisesaal. Primi und Secondi. Zumindest beim Abendessen gehört es ganz sicher zum guten Ton, mindestens 2 Gänge zu bestellen, beim Mittagessen sind die Italiener inzwischen etwas nachsichtiger mit unseren untrainierten Mägen. Doch wenn man es „italian style“ machen möchte, isst man eben Antipasti, Primi, Secondi, Dolce o Caffe. Geht Mittags und Abends. Also zwischen 12-14Uhr und von 20-22Uhr. Zeitfenster bitte einhalten. Es nutzt auch nichts, schon um 18:30 im Restaurant zu sitzen, wenn der Koch – il cuoco – noch nicht da ist. Was mir persönlich am besten gefällt, sind die Öffnungszeiten der Meeresfrüchte-Restaurants in Alba Atriatica:

a la Cena: 19:45 Uhr.

Doch bevor wir zum Abend übergehen, sprechen wir noch über meine Lieblings-Tradition des Italian Lifestyle: über den Aperitivo. Der schönste aller italienischen Bräuche soll den Magen öffnen (ital. „aperire“ = dt. „öffnen“) und ihn auf ein reichhaltiges Abendessen vorbereiten. Irgendwann zwischen Feierabend und Abendessen, zum Sundowner, nach dem Strandbesuch, vor dem Besuch im Ristorante ist es soweit. Leckere Drinks und herzhafte Snacks. Da gäbe es den Klassiker, Aperol Spritz oder doch einen Campari Spritz?! Prosecco, Wein oder gar einen gekühlten Lambrusco. Dazu Oliven, Ciabatta, ein bisschen Parmesan, Olivenöl mit einem Klecks Balsamico. Das könnte für mich stundenlang so gehen…

Aperitivo oder Apericena

Der klassische Aperitivo wird mancherorts zu einem Apericena, ein Aperitivo con Buffet. Dann werden neben den Drinks nicht nur kleine Snacks, sondern ein reich bestücktes Buffet angeboten. Dann zahlt man in der Regel einen festen, etwas höheren Preis für den ersten Drink und kann sich an den italienischen Leckereien des Buffets bedienen. Herrlich!

Führt uns zur abschließenden Frage: was ist eigentlich am liebenswertesten an Italien? Das Essen, der Wein, die Musik, die Automarken, die Mode? Die Antwort ist einfach: semplicemente tutto.

Ähnliche Beiträge